Die Insel Samos ist einer der sogenannten Hotspots in der Ägäis. Zeitweise lebten bis zu 9000 Menschen im überfüllten Camp nahe dem Inselhauptort Vathy. Vieles hat sich verändert in den letzten Monaten. Ein Update zur Situation auf Samos. Lest hier, was sich im letzten Jahr getan hat und warum wir Spenden für NGO´s auf Samos sammeln.
Rückblick
Als am 18. September 2021 das erste “Closed Controlled Access Center” überhaupt (CCAC) auf Samos eröffnete, feierten sich Politiker*innen in Athen und Brüssel gleichermaßen dafür, einen neuen Weg in der europäischen Migrationspolitik eingeschlagen zu haben. Einen in ihren Augen erfolgreicheren und würdevolleren Weg. Bilder von menschenunwürdigen Bedingungen für Geflüchtete in überfüllten Lagern wie auf Lesvos oder Samos sollten von nun an der Vergangenheit angehören. Die neuen, von der Europäischen Union finanzierten Lager sollten für mehr Sicherheit und menschenwürdige Bedingungen sorgen. Mit schnelleren Verfahren sollte zudem die Wartezeit in den Einrichtungen verkürzt werden.
Bereits damals kritisierten Menschenrechtsorganisationen wie Geflüchtete gleichermaßen die neuen Bedingungen in den Lagern. Die Angst, hinter Reihen von Stacheldrahtzaun in einer abgelegenen Region auf der Insel vergessen zu werden, sorgte bereits vor der Eröffnung für Proteste der schutzsuchenden Menschen. Trotz Bedenken der NGOs und der Ablehnung der Geflüchteten wurde das CCAC im Spätsommer 2021 eröffnet.
Aktuelle Situation
Seit dem Ende unserer letzten Kampagne in Samos im Februar 2022 steigt die Zahl der Asylbewerber*innen auf Samos wieder an. Lebten im Februar noch knapp 400 Menschen im CCAC in der Region Zervou, sind es mittlerweile etwa 1200 Geflüchtete, die hier auf ihren Asylentscheid warten. Allein dieses Jahr kamen in über 70 Booten bereits mehr als 1600 Menschen an. Zum Vergleich: Im ganzen Jahr 2021 waren es nur 31 Boote und rund 450 Menschen, denen die Überfahrt nach Samos gelungen ist.
Als Reaktion darauf baut die griechische Regierung die maximale Kapazität von 1500 Plätzen aktuell weiter aus. Der Anstieg überrascht kaum, vielmehr bestätigt sich dadurch die Einschätzung vieler NGOs, dass keineswegs weniger Menschen in der Europa Schutz vor Verfolgung und Krieg suchen, sondern, dass die Zunahme der Pushbacks an Land und auf dem Wasser dafür sorgt, dass weniger Menschen die Hotspots in der Ägäis erreichen.
Die größten Unterschiede des neuen im Vergleich zum alten Camp bei Vathy liegen in der abgeschiedenen Lage sowie der “Öffnungszeiten”. Insbesondere letzteres macht vielen Bewohner*innen zu schaffen und wirkt sich negativ auf ihre psychische Gesundheit aus. Zwischen 8 und 20 Uhr ist das Verlassen des Camps erlaubt, danach tritt die nächtliche Sperrstunde in Kraft. Die Menschen des Camps fühlen sich Aussagen von Bewohner*innen “wie in einem Gefängnis”, oder “behandelt wie Tiere”. Die omnipräsente Überwachungstechnologie, die 24/7 aus einer Zentrale in Athen überblickt wird, sowie die Kontrollen am Eingang verstärken den Eindruck eines Gefängnisses, das wenig mit einer Erstaufnahmeunterkunft gemein hat.
Leere Versprechungen
Entgegen den Versprechungen der griechischen Regierungen gibt es bis heute weder einen Arzt, noch einen Supermarkt im Camp. Wer solche Dienstleistungen in Anspruch nehmen möchte, muss sich nach Vathy begeben. Zwar gibt es einen regelmäßigen Bustransfer, allerdings kosten die Tickets für eine Fahrt hin und zurück 3,20€. Zu viel für die meisten Asylbewerber*innen, erhalten sie doch nur etwa 70€ monatlich. Und der Weg durch die Berge zu Fuß würde jeweils anderthalb Stunden dauern.
Die Unterbringung in Containern statt selbst gezimmerter Hütten und Zelten sollte eine Verbesserung der Lebensumstände schaffen und Schutz vor dem Wetter bieten. Schon bei den ersten starken Regenfällen allerdings stand das Camp bereits im Dezember 2021 zum ersten Mal unter Wasser. Und dann im Mai 2022 gab es während zwei Wochen gar kein fliessendes Wasser, sodass die Bewohner*innen des Camps abgefülltes Wasser aus Plastikflaschen zum Duschen verwenden mussten. Im Juni 2022 fielen dann gleich mehrere Klimaanlagen aus. Das Thermometer klettert im Sommer auf Samos häufig über 40 Grad und die neue Lage des Camps bietet keinerlei Schutz vor der brennenden Sonne. Es ist ein Skandal, dass mit den 43 Millionen Euro, die in den Bau des CCAC gesteckt wurden, einfachste Infrastrukturarbeiten schlecht durchgeführt wurden. Geld, dass von der Europäischen Union kommt, die in der Präambel der “Charta der Grundrechte der Europäischen Union” behauptet sich auf die “[...] unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität” zu gründen. Einmal mehr zeigt sich, dass sich diese Werte nicht auf alle beziehen.
Zusätzlich zu all diesen Vorkommnissen hat im letzten Jahr ein beispielloser Aderlass an Hilfsorganisationen auf Samos stattgefunden. Insgesamt 14 non-governmental Organizations (NGO´s) verließen die Insel und mit ihnen eine weite Bandbreite an Angeboten für Geflüchtete, von medizinischer Versorgung über warme Mahlzeiten bis hin zu Bildungsangeboten. Die verbleibenden Organisationen kämpfen neben steigenden Kosten durch die Inflation auch mit immer weniger Spendenbereitschaft, da insbesondere seit Ausbruchs des Kriegs in der Ukraine kaum mehr medialer Fokus auf die Situation schutzsuchender Menschen in Griechenland gelegt wird.
Aus diesem Grund wollen wir als Project ELPIDA zum zweiten Mal drei Partnerorganisationen auf Samos unterstützen. Just Action, Samos Volunteers und selfm.aid sind seit Jahren vor Ort aktiv und haben auch Tätigkeiten von Organisationen übernommen, die die Insel verlassen haben. Im Zuge unserer aktuellen Spendenkampagne benötigen wir dabei eure Hilfe!
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