Das Thema Migration ist zu einem gesellschaftlichen Spannungsfeld geworden, welches für Politker und ihre Wahlkämpfe eine zentrale Rolle einnimmt. Unser Advocacy Team untersucht drei Beispiele aus vergangenen und bevorstehenden Wahlen und den Einfluss des Diskurses um das Thema Migration.

Im vergangenen Jahr haben die Wahlen in den USA, dem Vereinigten Königreich und Frankreich wichtige Diskussionen über die Zukunft der westlich-liberalen Demokratien in den Vordergrund gerückt. Dies wurde noch verschärft, als kurz vor Ende des Jahres der kanadische Premierminister Justin Trudeau seinen Rücktritt vom Amt ankündigte und Deutschlands Kanzler Olaf Scholz die von ihm geführte “Ampel”-Koalition auflöste. In Frankreich verhinderte ein Zusammenschluss linksorientierter Parteien die Bildung einer rechtsextremen Regierung unter der „Front National“. In Deutschland versuchte vergangene Woche die Christdemokratische Partei (CDU), mit Stimmen der rechtsextremen “Alternative für Deutschland“ (AfD) Mehrheiten im Parlament zu bilden - was ihr teilweise auch gelang. Es verfestigte sich der öffentliche Konsens zwischen westlichen Kräften der politischen Mitte und Liberalen: Ein Kampf für eine demokratische Zukunft und gegen den Aufstieg des Faschismus ist derzeit im Gang. Denn der gemeinsame Nenner dieser politischen Entwicklungen ist der starke Fokus auf das Thema Migration, gekennzeichnet durch eine „wir-gegen-sie“-Rhetorik und angekurbelt durch die unkontrollierte Verbreitung von rassistischen Desinformations-Kampagnen auf beliebten Plattformen der sozialen Medien.
In diesem Beitrag werden hervorstechende politische Maßnahmen untersucht, die von Donald Trumps neu gewählter republikanischer Regierung in den USA und dem ersten Kabinett der britischen Labour-Partei seit 2010 unter Keir Starmer vorgeschlagen und bereits durchgesetzt wurden. Außerdem wird die Frage gestellt, was ein voraussichtlicher Wahlsieg von Friedrich Merz' CDU bei der bevorstehenden Bundestagswahl zu bedeuten hätte. Diese Analyse unterstreicht den Beginn eines neuen Zeitalters der Anti-Migrationspolitik in mehreren westlichen Ländern - eines, das sich stark gegen bestehende institutionelle Schutzmaßnahmen richtet, die historisch gesehen Menschen auf der Flucht unterstützt haben. Es wird deutlich gemacht, dass radikale Ansätze nötig sind, die keine Überschneidungen zwischen rechtsextremer und liberaler Migrationspolitik zulassen.
„Trump 2.0": Eine militarisierte Anti-Einwanderungskampagne
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2024 stand das Thema Migration unter den drei größten Anliegen von US-Wähler*innen. Mit dem Versprechen, die „Migrantenkriminalität“ zu stoppen und Massenabschiebungen zum „Nutzen der Wirtschaft“ vorzunehmen - obwohl diese Behauptungen keine faktische Basis haben - sicherte sich Trump sowohl die Wahl- und Volksabstimmung als auch das Präsidentenamt. Einen großen Teil seiner Rede zur Amtseinführung am 20. Januar widmete er dem Thema Migration und der Grenzsicherheit im Süden des Landes. Unter Missachtung typischer politischer Normen rief Trump unmittelbar nach seiner Vereidigung den nationalen Notstand an der südlichen Grenze aus, entsandte Truppen und ließ Hunderte von undokumentierten Migrant*innen mit krimineller Vergangenheit festnehmen. Auch kündigte er eine Reihe von Durchführungsverordnungen an, die darauf abzielen, die US-amerikanische Einwanderungspolitik neu zu definieren und das Menschenrecht auf Asyl dauerhaft zu ändern. Trumps „America First“-Plan hat ein überwältigendes Ausmaß an Auswirkungen, die Millionen von Menschen betreffen - von Kindern, die auf amerikanischem Boden geboren wurden und deren Eltern einen befristeten Schutzstatus (TPS) haben, bis hin zu Personen, die monatelang unter gefährlichen Bedingungen an der südlichen US-Grenze auf einen Asyltermin gewartet haben. Von den mehr als 21 erlassenen Durchführungsverordnungen verfolgen die bereits umgesetzten eine klare Zielsetzung: Sie kriminalisieren alle undokumentierten Migrant*innen und ebnen den Weg für Massendeportationen und die effektive Schließung der nationalen Grenzen.
Gleich an seinem ersten Tag im Amt ordnete Trump die Ausweitung der beschleunigten Abschiebung an, bei der Personen ohne US-amerikanische Staatsbürgerschaft verpflichtet sind, persönliche Daten und Fingerabdrücke bei der US-Regierung zu registrieren. Da die Nichtregistrierung strafrechtliche Folgen hat, wird hierdurch die Möglichkeit der Abschiebung von Personen ohne das Recht auf eine Gerichtsanhörung legalisiert. Die Ausweitung der Befugnisse der US-amerikanischen Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) auf die Polizei der Bundesstaaten und Kommunen hat außerdem zur Folge, dass in bisher unantastbaren Räumen wie Schulen, Krankenhäusern und Kirchen Razzien durchgeführt werden. Darüber hinaus hat Trump sofortige Maßnahmen gegen die „kriminelle Invasion“ an der Südgrenze der USA ergriffen: Seit dem 20. Januar hat das Heimatschutzministerium die CBP One App abgeschaltet - ein integrales Online-Tool, das bei der Planung von Asylterminen an den Grenzübergängen des Landes half. Durch die Aussetzung des letzten verbleibenden legalen Weges für Personen, die humanitären Schutz suchen, gibt es für Migrant*innen und Geflüchtete keine regulären Einreisemöglichkeiten mehr, wodurch das Recht auf Asyl, wie wir es kennen, obsolet wird.
Begleitend zu den unmittelbaren Erhöhungen von Abschiebungen und der Grenzsicherheit gibt es einen Plan, verschiedene bestehende rechtliche Schutzmaßnahmen für Migrant*innen mit geschütztem Status, die sich bereits auf US-Boden befinden, abzubauen. Dies betrifft insbesondere das Programm für Menschen aus Kuba, Haiti, Nicaragua und Venezuela (CHNV). Falls diese Maßnahmen umgesetzt werden, könnten zahlreiche bestehende Programme für temporären Schutzstatus (TPS) und Parole-Programme gefährdet sein. Ohne diese Programme wären viele Menschen, die sich legal in den USA aufhalten, unmittelbar von Abschiebung bedroht.
Die Labour-Regierung des Vereinigten Königreichs: Falsche Versprechen von “Veränderung”?
Vierzehn Jahre lang wurde das Vereinigte Königreich ununterbrochen von der traditionell konservativen Tory-Partei regiert. Nach fünf Premierministern, vier Wahlen und zwei Volksabstimmungen gewann 2024 die Labour-Partei die Parlamentswahlen am 4. Juli 2024. Diese positioniert sich traditionell als linksgerichtete Opposition zu den Tories. Auf der ersten Seite des Labour-Wahlprogramms ist ein Wort besonders hervorgehoben: Change (Veränderung). Angesichts der Tatsache, dass die neue Regierung ein Land in katastrophalem Zustand übernommen hat, scheint dies tatsächlich notwendig zu sein. Seit dem ersten Wahlsieg der Tories im Jahr 2010 sind die Lebenshaltungskosten zum wichtigsten Thema in England und Wales geworden. Die allgemeine Zufriedenheit der breiten Mehrheit des Landes mit dem Zustand des Wohnungsmarktes und der öffentlichen Gesundheitsstrukturen sowie das Vertrauen in das Justizsystem sind stark gesunken, während die Armutsquote und die Inanspruchnahme von Tafeln für Lebensmittel einen neuen Höchststand erreicht haben.
Es sind jedoch ernste Zweifel aufgekommen, ob das Versprechen der Labour-Partei, einen „Wandel“ herbeizuführen, auch auf den konsequenten Kurs der einwanderungsfeindlichen Politik des Landes zutrifft. Das Parteiprogramm behandelt Themen wie Wirtschaftswachstum, grüne Energiewende und nationale Gesundheitsversorgung, wobei der erste Punkt als „starke Fundamente“ betitelt ist. Unter dieser irreführenden Überschrift wird schnell klar, dass die nationale Sicherheit und eine strikte Grenzpolitik das Hauptanliegen sind. Starmers Kabinett verspricht ein neues Grenzsicherheitskommando „mit Hunderten von neuen Ermittlern, Geheimdienstlern und Grenzpolizisten“. Während das berüchtigte sogenannte „Ruanda-Programm“ der Vorgängerregierung - das darauf abzielte, inländische Asylverfahren an Einrichtungen in Ruanda auszulagern - offiziell aufgegeben wurde, kündigte der britische Innenminister im Juli 2024 an, dass geplante Flüge für Ruanda ersetzt werden sollen, mit dem Ziel, „ausländische Kriminelle und Einwanderungssünder, die kein Bleiberecht haben, zurückzuschicken.“ Dies wurde dann durch die Abschiebung von 46 Personen nach Vietnam und Timor-Leste umgesetzt, wobei die zuvor geplante Transportlogistik der Umleitung von Asylbewerber*innen nach Ruanda genutzt wurde.
Im darauffolgenden Monat wurde die Gefahr einer organisierten rechtsextremen Kraft mit dem Ausbruch von rassistisch motivierten Ausschreitungen in zahlreichen Städten des Vereinigten Königreichs erneut deutlich. Da zuvor der Ärmelkanal zum Brennpunkt der Debatten über die Migrationspolitik geworden war, wie der Slogan „Stop the Boats“ des ehemaligen Premierministers Rishi Sunak zeigte, wurde der Begriff von Rechtsextremisten übernommen. Während der Unruhen im August griffen große Menschenmengen Moscheen an, setzten Asylbewerberunterkünfte in Brand und lieferten sich gewalttätige Verfolgungsjagden auf den Straßen. Nur einen Monat nach den gewalttätigen Unruhen berichteten Nachrichtenagenturen von einer rekordhohen Zahl an Toten unter Menschen, die versuchten, mit kleinen Booten den Ärmelkanal zu überqueren. Laut humanitärer Organisationen waren diese Tode eine direkte Folge der strengen Polizeikontrollen an der französischen Küste und der fehlenden, von Großbritannien geführten Einführung einer sicheren Durchgangspolitik.
Deutschland: Die CDU versucht die “Brandmauer” zu schwächen
Am 29. Januar hat die Christdemokratische Partei zwei Vorschläge in den Bundestag eingebracht, die darauf abzielten, Migration einzudämmen und die Grenzen strenger zu sichern. Beide Vorschläge waren unverbindliche Aufforderungen an die sozialdemokratisch geführte Koalition, deren Auflösung für Ende 2024 angekündigt wurde. Infolgedessen wurden sie als Teil des Wahlkampfs der Partei für die bevorstehende Bundestagswahl wahrgenommen, für die diverse Umfragen den CDU-Parteichef Friedrich Merz als wahrscheinlichen neuen Bundeskanzler voraussagen. Die Entwürfe sind hier im Überblick:
Der erste Antrag, der im Parlament mit einer knappen Mehrheit - auch mit den Stimmen der AfD-Fraktion - verabschiedet wurde, ist ein sogenannter Fünf-Punkte-Plan zur „Sicherung der Grenzen und Beendigung der illegalen Migration“. Der Plan sieht permanente Grenzkontrollen, eine strikte Zurückweisungspolitik bei irregulärem Grenzübertritt (auch bei Personen mit Aussicht auf Asyl) und die sofortige, zeitlich unbegrenzte Inhaftierung von Menschen vor, die zur Abschiebung vorgesehen sind. Dies ermöglicht Massenabschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan, Regionen, die auf internationaler Ebene immer noch als unsicher gelten.
Der zweite unverbindliche Antrag, der kürzlich im Parlament mit knapper Mehrheit abgelehnt wurde, betrifft in erster Linie Fragen der inneren Sicherheit im Zusammenhang mit der Einwanderungspolitik. Er beinhaltete unter anderem Einschränkungen der Familienzusammenführung für als offiziell schutzbedürftig eingestufte Personen, die zwar keinen Asylstatus erhalten haben, aber aus anderen Gründen im Land bleiben dürfen. Darüber hinaus wird die seit langem erhobene Forderung nach einer Stärkung der FRONTEX-Mechanismen aufgegriffen sowie nach einem Abbau der Sozialleistungen für Migrant*innen und Geflüchtete, denen noch kein Asyl gewährt wurde. Darüber hinaus schlug der Entwurf den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft für straffällig gewordene Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft vor.
Am 31. Januar stimmte der Deutsche Bundestag abschließend über einen Gesetzentwurf mit dem Namen „Zustrombegrenzungsgesetz“ ab, der viele Aspekte der zuvor genannten Vorschläge enthält. Während der Gesetzentwurf knapp abgelehnt wurde, zeigt die Bereitschaft der CDU, auch in diesem Fall mit Stimmen der AfD eine Mehrheit zu bilden, eine besorgniserregende Veränderung der politischen Normen des Landes. Die Entscheidung der CDU, Mehrheitsbildungen mit AfD-Abgeordneten zu akzeptieren, löste landesweite Proteste aus, an denen über 100.000 Menschen in zahlreichen Städten teilnahmen. Merz' Reaktionen auf die heftige Kritik an seinen jüngsten Programmentwürfen ließen keine Einsicht erkennen. Jedoch fügte seine Partei vor den Abstimmungen einen Absatz ein, in dem die AfD wegen ihrer Tendenz zu Verschwörungstheorien und ihrer EU-feindlichen Haltung kritisiert wurde. Dieser Versuch, sich politisch gegen die AfD zu stellen, während gleichzeitig aktiv auf ihre Stimmen im Parlament gezählt wird, ist bestenfalls eine verzweifelte und leere Geste und schlimmstenfalls ein klares Signal für Merz’ Wahlkampf.
Ein neues Zeitalter der Migrationspolitik
Diese politischen Entwicklungen signalisieren eine neue Richtung der rechtspopulistischen Anti-Migrationspolitik. In beiden Fällen setzen politische Führungspersonen nicht nur die Politik der strengen Grenzsicherheit fort, sondern greifen auch die letzten verbleibenden institutionellen Rahmenbedingungen an, die Menschen- und Bürgerrechte schützen. Dies spiegelt sich sowohl in den mehrstufigen US-Restriktionen des legalen Asylverfahrens als auch in den von Friedrich Merz vorgeschlagenen gesetzlichen Maßnahmen wider, die offiziell anerkannte Möglichkeiten der Dokumentenbeschaffung bei der Einreise nach Deutschland verbieten und kriminalisieren. Besonders sticht hervor, wie die Vorschläge der CDU den Kern des historischen Schengen-Abkommens direkt negieren und Taktiken legalisieren, die noch gravierender sind als der bisher bestehende EU-Ansatz der „Festung Europa“. Sollten solche Politiken in einem EU-Mitgliedsstaat Zukunft haben, würde das Fundament der Europäischen Union erodiert.
Merz' Vorschlag, den rechtlichen Rahmen der deutschen Staatsbürgerschaft radikal umzustrukturieren, ist ein weiteres Zeugnis dieser neuen Ära des institutionellen Abbaus, in dem deutlich hervorgeht, wie die CDU in den „Masterplan“ der neuen alternativen Rechten für „Remigration“ verwickelt ist, der im vergangenen Jahr von investigativen Journalist*innen aufgedeckt wurde und mittlerweile weithin bekannt ist. Der Plan würde die deutschen Staatsbürgerschaftsgesetze ändern, um die Umstrukturierung der demografischen Zusammensetzung des Landes gemäß rechtspopulistischer Ideologien, die rassistische, kulturelle und ethnische Parameter für deutsche Staatsbürger vorsehen, voranzutreiben.
Verstärkte rechtspopulistische Stimmen sind ebenso in den USA präsent, da Trump auf eine Umstrukturierung des Rechts auf den Titel „Amerikanische*r Staatsbürger*in“ abzielt. Allein in der vergangenen Woche hat der Ruf nach Massenabschiebungen rassistische Profiling-Taktiken im ganzen Land vorangetrieben. Dies ging so weit, dass Mitglieder der indigenen Communities im Südwesten des Landes für lange Perioden festgehalten wurden, in einem Versuch, tägliche Abschiebequoten zu erfüllen. Weiterhin wurde die US-amerikanische Regierung angewiesen, ein neues Verfahren für Geflüchtete zu entwerfen, das nur jene einbezieht, die sich in die USA „assimilieren“ können. Hierbei wurde der Außenminister angewiesen, Empfehlungen zur Begrenzung von Visa-Programmen für diejenigen zu erteilen, die „spezifische ideologische Werte“ nicht unterstützen. Allein durch die Nutzung dieser Sprache wird deutlich, dass das Versprechen der Grenzsicherheit mit viel gefährlicheren Ideen einhergeht.
Die liberale Reaktion: Eine leere Alternative
Die jüngsten politischen Entwicklungen in den westlichen Wirtschaftsmächten sind zunehmend komplizierter geworden, mit einer spürbaren Verschiebung hin zur Nutzung von Migrant*innen und Asylbewerber*innen als Sündenböcke für gesellschaftliche Probleme. Die US-Wahlen im Jahr 2024 und Großbritannien sowie die Wahldebatten in Kanada und Deutschland zeigen einen expliziten Plan, eine neue Ära der Anti-Migrationspolitik einzuleiten. Dies signalisiert letztendlich das Aufkommen einer neuen globalen Rechten, die die Grundlagen sowohl lokaler als auch internationaler Institutionen, die Menschen- und Bürgerrechte schützen, abbauen wollen beziehungsweise dies bereits getan haben. Unter dem Vorwand der Grenzsicherung sind diese Politiken eine gefährliche Verschiebung hin zur Normalisierung von Polizei- und Profiling-Maßnahmen, die eindeutig entlang vermeintlich ethnischer und kultureller Linien spalten. Doch die alternativen politischen Akteure der Mitte sollten nicht diejenigen sein, die lediglich eine mildere Version der rechten Hardliner darstellen.
Während Rufe für einen Kampf gegen den Aufstieg des Faschismus lauter werden, fehlt eine klare und deutliche Vision in der Politik, die sich von den Empfindungen der extremen Rechten distanziert. Politische Kampagnen liberaler Parteien, die sich als Opposition zu kontinuierlich beliebten rechtsextremen Kräften positionieren, haben strengere Grenzpolitiken versprochen und erfolgreich umgesetzt. Die langfristige Strategie der britischen Labour-Partei scheint zu sein, rechtsextreme Rhetorik zu übernehmen, wobei von Plänen die Rede ist, „die Banden zu zerschlagen, um die Überquerungen zu stoppen“ - was lediglich eine geringfügige Modifikation der Kampagne „Stoppt die Boote“ darstellt. Nur einen Monat vor den August-Krawallen hob Starmer in einer kurzen Rede die bangladeschische Gemeinde in Großbritannien als Beispiel für seinen Plan hervor, Menschen vermehrt in ihre Herkunftsländer abzuschieben. In den USA haben sowohl liberale als auch konservative Regierungen über ein Jahrzehnt hinweg Asylverfahren vermehrt eingeschränkt. Unter der Biden-Administration wurden unautorisierte Grenzübertritte zunehmend einem restriktiven Einwanderungsverfahren unterworfen. In ihrer letzten Rede vor den nationalen Wahlen sprach die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris von ihrer jahrzehntelangen beruflichen Erfahrung im Bereich der Strafverfolgung, um die Wichtigkeit der Grenzsicherheit zu unterstreichen. Sie bewarb mit dem, was sie als „das stärkste Grenzgesetz seit Jahrzehnten“ bezeichnete, ein in Zusammenarbeit mit republikanischen Politikern entworfener Entwurf, der stark von Repräsentant*innen Grenzschutzbehörden unterstützt wurde. In Deutschland reagieren Parteien der Mitte sowie die Grünen auf das Novum einer parlamentarischen Partei, die offen mit der AfD zusammenarbeitet, indem sie den Abbau der „Brandschutzmauer“ gegen die extreme Rechte anprangern. Jedoch sind viele dieser Kräfte in eine Politik der Massenabschiebungen und Kriminalisierungstaktiken involviert. Nur ein Jahr bevor er seine Regierung auflöste, erklärte der SPD-Vorsitzende und baldige Ex-Kanzler Scholz stolz, dass seine Koalition “im großen Stil” Menschen abschieben würde. Im Prinzip legt diese politische Entscheidungsfindung eine klare Richtung hin zur Sicherheitspolitik und eine Missachtung von Menschen- und Bürgerrechten fest.
In mehreren Ländern haben wir einen Trend identifiziert, bei dem die allgemeine Unzufriedenheit der Bürger*innen mit steigenden Kosten und mangelnden Dienstleistungen Hand in Hand mit zunehmend anti-migrantischen Stimmungen einhergeht. Statt der Entwicklung einer umfassenderen Einwanderungspolitik, findet diese Unzufriedenheit einen leichten Nährboden in der Migrationsdebatte und öffnet ein Einfallstor für rechtsextreme Kräfte. Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl in Deutschland ist es wichtig zu betonen, dass die Hoffnungen etablierter liberaler Politiker*innen, potenzielle und tatsächliche rechtsextreme Wähler*innen durch diese Strategie zu gewinnen, fehlgeleitet sind. Zahlreiche politikwissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die Übernahme und Einbindung rechtsextremer Narrative und Politiken langfristig nicht den gewünschten Effekt hat, diese Wählerbasis umzulenken. Im Gegenteil: Diejenigen, die für solche Rhetoriken empfänglich sind, werden über kurz oder lang für die Partei stimmen, die sie vollständig umsetzt. Das Setzen von immer neuen vermeintlichen “Brandmauern” von liberalen und konservativen Politiker*innen wird letztendlich als politisches Spiel erkannt.
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