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Project ELPIDA

Neues aus Athen

Vor etwa einem Jahr war Project ELPIDA e.V. zum ersten Mal im Rahmen einer Spendenkampagne in Athen. Seitdem hat sich viel verändert. Zum Auftakt der diesjährigen Athener Spendenkampagne werfen wir einen Blick auf die Entwicklungen seit der letzten Kampagne für Menschen mit Fluchthintergrund in Athen.



Athen ist mit Abstand die größte Stadt Griechenlands. Etwas weniger als die Hälfte der Gesamtbevölkerung lebt in der Hauptstadt. Die einmalige Lage zwischen den Bergen und dem Meer, ihre jahrtausendealte Geschichte und das mediterrane Klima machen sie insbesondere in den Sommermonaten zu einem beliebten Urlaubsziel, häufig verbunden mit einem Besuch auf den griechischen Inseln. Was den meisten Tourist*innen verborgen bleibt, sind die Schattenseiten der Stadt. Für geflüchtete Menschen ist Athen fast immer die zweite Station nach ihrer Ankunft in Europa und der Registrierung auf den griechischen Inseln.


Wohnungslosigkeit als System


Die Jahre der Finanzkrise seit 2008 haben im ganzen Land, aber in Athen insbesondere zu einem Anstieg der Obdachlosigkeit geführt. Im Jahr 2018 wurde die Zahl der Menschen ohne Dach über dem Kopf auf 40.000 geschätzt, davon etwa die Hälfte in der Region Attika, zu der auch Athen gehört. Und auch geflüchtete Menschen sind betroffen. Im Februar 2022 erklärte die griechische Regierung, sie werde das von der EU und UNHCR finanzierte ESTIA-Programm im Dezember des gleichen Jahres auslaufen lassen. 2015 ins Leben gerufen, bot es bis zuletzt mehr als 10.000 anerkannten Asylbewerber*innen eine Bleibe in der Stadt. Nun waren viele von ihnen gezwungen, zurück in die Camps außerhalb Athens zu ziehen oder auf der Straße zu leben. Die Wohnungen in der Stadt hatten den Vorteil sozialer Inklusion, ermöglichten sie doch die Teilnahme am Schulunterricht für Kinder sowie die Inanspruchnahme sozialer Hilfeleistungen, etwa durch NGO´s. Die Camps auf dem Festland erinnern zunehmend an jene auf den Inseln, mit moderner Überwachungstechnologie und kaum Präsenz von Hilfsorganisationen. Die Tatsache, dass die griechische Regierung das ESTIA-Programm auslaufen ließ, obwohl die Fremdfinanzierung durch EU und UNHCR bis 2027 gesichert war, macht einmal mehr deutlich, wie die griechische Regierung mit Geflüchteten umgeht..


Die Abstinenz eines staatlichen Wohnungs-Programms erschwert zusätzlich die Integration in die griechische Gesellschaft. Während auf den Inseln aufgrund der schwach ausgeprägten beruflichen Infrastruktur und der schnellen Weiterreise kaum Bestrebungen vorhanden sind, wäre diese in Athen durchaus sinnvoll. Das HELIOS-Programm ist eines der wenigen staatlichen Programme, das Personen mit anerkanntem Asylstatus Jobs und Wohnungen vermittelt. Der Haken daran ist, dass man für die Teilnahme an diesem Angebot bereits in einer Wohnung leben muss. Das Ineinandergreifen von ESTIA und HELIOS bot diese Möglichkeit, nach dem Auslaufen von ESTIA kann auch HELIOS deutlich schwieriger in Anspruch genommen werden. Gleichzeitig ist es deutlich schwerer geworden Arbeit zu finden, da die entlegene Lage der Camps weite Wege von und zum potenziellen Arbeitsplatz in der Stadt bedeutet. Überhaupt gibt es für Menschen im Asylverfahren keine Möglichkeit, legal zu arbeiten, häufig arbeiten sie zu Hungerlöhnen auf den Gemüseplantagen im Athener Umland.


Isolation und Verfolgung

Das einzige Camp mit guter Anbindung nach Athen war Eleonas Camp. Auch hier waren die Lebensbedingungen alles andere als hervorragend, dennoch bot es die Möglichkeit sozialer Partizipation. Nachdem die Bewohner*innen den Camps bereits im Sommer gegen die Schließung demonstrierten, übergab Premierminister Mitsotakis im Dezember im Rahmen einer feierlichen Zeremonie das Gelände wieder an die Stadt Athen. Nun soll hier ein Park mit Sportanlage entstehen. Die Bestrebungen, geflüchtete Menschen im Kontext einer out of mind, out of sight Strategie aus dem Stadtbild zu vertreiben, sind dabei nicht neu. Auf den Inseln wurde dies bereits exemplarisch mit der Eröffnung der geschlossenen Lager vorangetrieben und auch die Operation Σκούπα (dt. Besen) entstand mit dieser Intention. Dabei handelt es sich um gezieltes racial profiling durch die Polizei, um undokumentierte Geflüchtete vorübergehend einsperren, um sie danach abschieben. Da aktuell aber kaum Abschiebungen stattfinden, handelt es sich dabei um eine gezielte Form der Abschreckung, die dazu führt, dass viele undokumentierte Geflüchtete sich kaum noch auf die Straße trauen.


Staatliche Hürden in einem Zwei-Klassen-System


Im vergangenen Jahr wurde nicht nur in Athen, sondern in ganz Griechenland das Asylbewerber-System weiter digitalisiert; wurden die ersten Schritte zuvor noch über Skype-Termine durchgeführt, gibt es nun ein Online-Formular. In der Theorie stellt dies eine Vereinfachung dar, doch bereits seit Monaten berichten Geflüchtete und NGO´s davon, dass das System unzuverlässig sei, häufig abstürze und so den ohnehin zähen Prozess weiter in die Länge ziehe. Gleichzeitig zog sich auch die EU-Behörde EASO (European Asylum Support Office) maßgeblich zurück, zu ihren Aufgaben gehörte unter anderem auch die Bereitstellung von Übersetzer*innen für offizielle Termine im Rahmen des Asylverfahrens. Dies führte zu einer weiteren Verschleppung dieser Prozesse, an deren Ende in erster Linie geflüchtete Menschen darunter leiden.


Nach dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine erklärte sich Griechenland schnell bereit, ukrainische Geflüchtete aufzunehmen. Etwa 70.000 kamen nach Griechenland und wie in vielen anderen EU-Staaten wurden schnell unbürokratische Lösungen gefunden, etwa beim Bleiberecht oder bei der Unterbringung. Auch von offizieller Seite wurden sie als “wahre Flüchtlinge” begrüßt. Diese Diskrepanz an Hilfsangeboten bekräftigt die Position der Regierungspartei Nea Dimokratia, die für Geflüchtete aus Afghanistan, Bangladesch, Somalia und Syrien die Türkei als sicheres Drittland auserkoren hat.


Alles in allem zeichnet sich ein Muster im vergangenen Jahr ab. Das Auslaufen von Wohnprojekten und die Räumung besetzter Häuser verstärken die Problematik der Obdachlosigkeit und sozialer Isolation geflüchteter Menschen in der griechischen Hauptstadt. Die Schließung von Eleonas, als einziges Camp in der Stadt führt zu einer weiteren Ausgrenzung; ein Muster, das bereits auf den Inseln zu beobachten ist. Uns als Project ELPIDA bekräftigen diese Entwicklungen darin, dass Unterstützung nach wie vor mehr als dringend benötigt wird.


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