Makis Voridis: Ein Kurzprofil des neuen griechischen Ministers für Migration und Asyl
- Konstantinos Iason Mokas
- 28. Mai
- 6 Min. Lesezeit
Makis Voridis ist zum neuen griechischen Minister für Migration und Asyl ernannt worden.
Der langjährige Vertreter der griechischen Politik mit starken Wurzeln in der extremen Rechten hat mit seiner Ernennung sowohl im Inland als auch international für Aufmerksamkeit gesorgt.
Zu seinen erklärten Prioritäten gehören die Bekämpfung der „illegalen Einwanderung“ und die Erhöhung der Rückführungsquote, was Bedenken hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf die Rechte von Geflüchteten und strengere Grenzpraktiken weckt. Wie sieht sein politischer Werdegang aus und welche Politik hat er bisher verfolgt?

Am 16. März 2025 wurde Makis Voridis zum neuen Minister für Migration und Asyl der Griechischen Republik ernannt. Voridis gehört dem rechtsextremen Flügel der regierenden Regierungspartei “Neue Demokratie” an. In seiner ersten Rede als Minister betonte er Folgendes: "Ich habe wirklich klare und starke ideologische Ansichten zur Einwanderung [Problem]. Der Auftrag lautet, das zu tun, was wir tun müssen, um der illegalen Einwanderung entgegenzutreten und die Rückführungen zu organisieren." Dieser letzte Satz ist bedeutsam, da er sich auf die Praxis der Pushbacks bezieht, die die Regierung bis vor kurzem offiziell geleugnet hatte. Seine Wahl an die Spitze des Ministeriums hat auch außerhalb des Landes für Schlagzeilen gesorgt, da Journalist*innen seine gewalttätige Vergangenheit als Mitglied der Jugendgruppe der EPEN - einer kleinen politischen Partei, die von dem ehemaligen Diktator Georgios Papadopoulos gegründet wurde - aufgedeckt hatten. Angesichts seines politischen Hintergrunds und seines bisherigen Werdegangs könnte seine Ernennung auf eine weitere Verschärfung der Grenzpolitik des Landes hindeuten - und auf eine entsprechende Schwächung der Grundrechte von Flüchtlingen und Migranten. Diese Entwicklung folgt einem EU-weiten Trend, der nach dem Sturz des Assad-Regimes zunehmend an Fahrt gewonnen hat, wie wir in einem früheren Artikel bereits dargelegt haben. In diesem Artikel geht das Projekt-Elpida-Team der Frage nach: welchen Hintergrund bringt Voridis mit und was bedeutet seine Ernennung für den künftigen Kurs in der Migrationspolitik?
Vom Axtschwinger zum aufsteigenden Stern der extremen Rechten
Voridis trat 1984 erstmals in die politische Öffentlichkeit, als er Vorsitzender des Jugendflügels der rechtsextremen, außerparlamentarischen EPEN-Partei wurde, einer Gruppierung, die vom früheren Diktator Georgios Papadopoulos gegründet wurde, der die Militärdiktatur von 1967 bis 1974 anführte. Voridis besuchte Papadopoulos im Gefängnis von Korydallos in Athen und erhielt persönlich dessen Zustimmung zur Übernahme des Parteivorsitzes. Ein Jahr später wurde Voridis aus dem Studentenrat der juristischen Fakultät der Universität Athen ausgeschlossen. Als Reaktion darauf führte Voridis einige Monate später mit etwa zwanzig anderen EPEN-Mitgliedern einen Überfall auf linke Studierende der Fakultät an und jagte sie mit einer Axt und Eisenstangen. Dieser berüchtigte Vorfall brachte ihm den Spitznamen „der Axtmann“ (ο τσεκουράτος auf Griechisch) ein, der ihn seither begleitet. Obwohl Fotos von ihm mit der Axt auf den Titelseiten nahezu aller großen griechischen Zeitungen erschienen und ein Verfahren gegen ihn eingeleitet wurde, kam es nie zu einer Verurteilung durch ein Gericht.
1994 markierte einen Wendepunkt in der politischen Laufbahn von Voridis: Er versuchte erstmals, in die Mainstream-Politik einzutreten, indem er die rechtsextreme Partei “Nationale Front” gründete, nach dem Vorbild der berüchtigten französischen Partei unter Jean-Marie Le Pen.Die neue Partei vereinte ehemalige Weggefährten aus der EPEN, Neofaschisten der kleineren Partei ENEK sowie Mitglieder der MAVI, einer kleinen paramilitärischen Organisation. Im Jahr 1995 versuchten Mitglieder der MAVI, einen Militärstützpunkt in Südalbanien zu stürmen, in der Hoffnung, eine diplomatische Krise zwischen Griechenland und Albanien auszulösen und den irredentistischen Traum griechischer Nationalist*innen von der Befreiung des „Nordepirus“ zu verwirklichen - ein Teil Südalbaniens mit einer bedeutenden griechischen Minderheit. Nach dem Überfall wurden mehrere führende Mitglieder der Organisation verhaftet. Auffällig dabei war, dass Voridis vor dem Staatsanwalt erschien und zugunsten eines der Rädelsführer aussagte. Er erklärte, dieser habe sich in der Nacht des Anschlags auf dem Gründungskongress der “Nationalen Front” befunden. Damit lieferte er ein entscheidendes Alibi. Trotz zahlreicher belastender Beweise wurden alle Verschwörer zwar schuldig gesprochen, jedoch lediglich zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Die enge Verbindung zwischen Le Pen und Voridis zeigte sich deutlich, als dieser Le Pen als Ehrengast zu seiner Hochzeit einlud. 1997 erkannte Le Pen schließlich die Partei von Voridis offiziell als „Schwesterpartei“ der französischen “Front National” an: ein symbolischer Akt, der Voridis’ Partei innerhalb der griechischen extremen Rechten deutlich stärkte. Voridis fiel in dieser Zeit durch offen antisemitische Rhetorik auf und attackierte regelmäßig albanische Migrant*innen, von denen viele nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Regimes 1991 aus Albanien nach Griechenland geflohen waren. Zudem gründete er die Zeitung „Greek Lines“, in der er gemeinsam mit anderen Autor*innen seine Bewunderung für den Diktator Ioannis Metaxas (1936–1941) zum Ausdruck brachte, der Griechenland bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs autoritär regierte. Auch in diesem Kontext wurden offen antisemitische Positionen vertreten.
Im Jahr 2005 ging die griechische „Nationale Front“ ein Bündnis mit der Orthodoxen Volksversammlung (abgekürzt LAOS, was auf Griechisch „Volk“ bedeutet) ein, einer rechtsextremen, antisemitischen und einwanderungsfeindlichen Partei unter der Führung des ehemaligen Abgeordneten der Partei “Neue Demokratie” Georgios Karatzaferis. Dieses Bündnis und die Gründung einer „Front der Nationalen Opposition“ erwiesen sich bei den Wähler*innen als erfolgreich: LAOS gewann zunehmend an Einfluss und erzielte bei den Parlamentswahlen 2009 schließlich 5,63 % der Stimmen. Voridis wurde als LAOS-Kandidat ins Parlament gewählt. In seiner neuen Rolle als Abgeordneter nutzte er die öffentliche Bühne, um seine politischen Positionen zu vertreten. Zugleich stieg er zu einem der engsten Vertrauten Karatzaferis' auf, arbeitete mit ihm zusammen und trug maßgeblich dazu bei, die Partei einem breiteren konservativen Wählerspektrum zugänglich zu machen.
Eintritt in die Mainstream-Politik und Ausübung der Politik
Im November 2011 wurde Voridis zum Minister für Verkehr und Infrastruktur in der Regierung der nationalen Einheit von Lukas Papademos ernannt – als erster Politiker mit einem derart umstrittenen ideologischen Hintergrund in einem Regierungsamt. Seine Ernennung fiel in eine Zeit politischer Instabilität, als Griechenland sich im dritten Jahr der Rezession befand und das zweite Jahr seit der Unterzeichnung des ersten IWF-Memorandums im Jahr 2010 eintrat. Im Februar 2012 verließ Voridis die LAOS und trat der konservativen Partei “Neue Demokratie" bei. Er unterstützte das zweite, vom IWF geforderte Sparpaket und wandte sich damit offen von seinem früheren politischen Mentor ab. Dieser Schritt markierte seinen endgültigen Eintritt in die etablierte Machtelite. Voridis mäßigte seinen Diskurs und etablierte sich als Akteur im politischen Mainstream. Angesichts der Reaktionen der jüdischen Gemeinde Griechenlands sah er sich gezwungen, sich öffentlich zu entschuldigen, ohne sich dabei ausdrücklich von seinen früheren Überzeugungen zu distanzieren.
Während seiner Regierungszeit fiel Voridis weiterhin durch eine restriktive Haltung gegenüber Migration auf. Er sprach regelmäßig von „illegalen Migranten“ und kündigte an, die Dauer der Verwaltungshaft in sogenannten „Aufnahmezentren“ auf bis zu zwei Jahre ausweiten zu wollen. Auf diese Weise erhoffte er sich, die Hoffnungen der Menschen auf der Flucht zu enttäuschen und ihre Lebensbedingungen „unzumutbar“ zu machen. Zudem verteidigte er die griechische Küstenwache gegen internationale Kritik wegen dokumentierter Pushbacks mit der Aussage, sie „verteidige die Grenzen Europas“. Gleichzeitig lehnte er Forderungen der neuen konservativen deutschen Regierung zur Umsiedlung von Asylsuchenden nach Griechenland ab und bestand stattdessen auf einem gesamteuropäischen Umverteilungsmechanismus.
Diese Haltung birgt das Potenzial für eine offene Konfrontation mit dem neu gewählten deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz, der mit dem Versprechen ins Amt kam, in der Migrationspolitik deutlich restriktiver vorzugehen. Die Bundesregierung hält derzeit an dem Vorhaben fest, abgelehnte Asylbewerber nach Griechenland zurückzuführen, angesichts eines Grundsatzurteils des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 16. Apil 2025.In diesem entschied das Gericht, dass sogenannte „nicht schutzbedürftige“ Migrant*innen bei einer Rückführung nach Griechenland keine menschenunwürdigen Lebensumstände zu erwarten hätten. Vor diesem Hintergrund wirkt es beinahe ironisch, dass sich Voridis heute entschieden gegen erzwungene Rückführungen ausspricht - weniger aus humanitären Überzeugungen, sondern vielmehr aufgrund seiner derzeitigen Rolle innerhalb der Regierung.
Jüngsten Berichten zufolge plant die griechische Regierung zudem die Eröffnung eines neuen Auffanglagers in der Nähe von Heraklion auf Kreta. Dort sollen neu ankommende Migrant*innen und Geflüchtete in Gewahrsam genommen und registriert werden. Diese Maßnahme dient nicht dem Schutz oder Wohlergehen der Betroffenen, sondern soll sicherstellen, wie Voridis selbst betont, dass es “keine Probleme mit dem Betrieb des hafens [von Heraklion] sowie mit den ankommenden Tourist*innen gibt.”
Ausblick
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Voridis' politischer Hintergrund und sein Werdegang eindeutig durch seine rechtsextremen Ansichten und Handlungen gekennzeichnet sind - eine Kontinuität, die sich über mehr als vier Jahrzehnte erstreckt. Auch wenn er in den letzten Jahren seine Rhetorik gemäßigt und hohe Regierungsämter übernommen hat, ist ein grundlegender Wandel seiner Überzeugungen nicht erkennbar. Seine Haltung gegenüber Geflüchteten bleibt ablehnend. Im Gegenteil: Seine Ernennung birgt das Risiko einer weiteren Verschärfung der Migrationspolitik mit härteren Maßnahmen gegenüber Menschen auf der Flucht, der Missachtung humanitärer Organisationen sowie einer Verschlechterung der ohnehin prekären Zustände in den „Aufnahmezentren“ des Landes, in denen Tausende Erwachsene und Minderjährige unter teils unmenschlichen Bedingungen leben.
Sein Ministerium steht somit für eine neue Phase der griechischen und europäischen Migrationspolitik. Umso wichtiger ist es, dass zivilgesellschaftliche Akteure, Menschenrechtsorganisationen und NGOs die Entwicklungen weiterhin aufmerksam beobachten, öffentlich machen und energisch für die Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen eintreten.
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