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Alexia Hack

Einblicke in die Geflüchtetenlager Nordgriechenlands: Erfahrungsberichte von Bewohner*innen

Neben den laufenden Vorbereitungen unserer Nordgriechenland-Kampagne ist es wichtig, einen Blick auf die Situation der in der Region lebenden Geflüchteten zu werfen. Dafür spiegeln sich im September-Beitrag des Project Elpida Advocacy Blogs die Erkenntnisse, die Mobile Info Team und Refugee Legal Support über das Leben in den Lagern in Nordgriechenland gewannen und vergangenen Juli in einem Bericht veröffentlichten.




Der Bericht bietet einen tiefen Einblick in die Lebensbedingungen und den Zugang zu Dienstleistungen für Asylsuchende in allen größeren Regionen des griechischen Festlands. Die Zusammenarbeit der beiden Organisationen ergab einen umfassenden Überblick über das Leben in den Lagern in der Nähe der Städte Korinth (Peloponnes), Ioannina (Westmazedonien), Serres (Zentralmazedonien), Larissa (Thessalien), Inofyta (Böotien), Ritsona (Attika) und Thessaloniki. Es ergab sich ein düsteres Bild der Vernachlässigung und Misswirtschaft - auch wenn dies im Vergleich zu der großen Medienaufmerksamkeit, in deren Fokus oft die Camps der griechischen Inseln sind, meist nicht im Rampenlicht stand.


Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehört zum einen die problematische Lage dieser Einrichtungen, da diese oft abgelegen sind und wenig bis gar keinen Zugang zum sozialen Leben und zu wichtigen Dienstleistungen außerhalb bieten. Zum anderen besteht ein starker Gegensatz zwischen den finanziellen Investitionen in Sicherheitsmaßnahmen wie Überwachungssysteme und der allgemeinen infrastrukturellen Misswirtschaft der Camps. Dies äußert sich darin, dass die Camp-Einwohner*innen über unzureichende Mittel zur Deckung ihrer alltäglichen Kosten verfügen und die als schutzbedürftig oder vulnerabel eingestuften Personen  unter einem „kritischen Mangel an Zugang zu Unterstützung“ leiden.


ES FEHLT AN GRUNDLEGENDER HYGIENISCHER INFRASTRUKTUR


Der Bericht legt nicht nur die Geschichte und die strukturellen Merkmale der einzelnen Lager dar, sondern gibt den Bewohner*innen selbst die Möglichkeit, ihre Geschichten über den Alltag im Camp zu erzählen und dadurch mit ihrer eigenen Stimme zu sprechen. Diese werden von Bildern begleitet, die die unmenschlichen Lebensbedingungen veranschaulichen. Die schlechte Infrastruktur der hygienischen Einrichtungen wurde durch Fotos von einem großen Kakerlakenbefall verdeutlicht, wie auch von ungepflegten Badezimmern und WC-Anlagen und von Küchen, die so alt sind, dass ihre Benutzung eine Brandgefahr darstellt. Ein junger Bewohner des Kavala-Camps beschrieb das verfaulte Holz des Fußbodens, das alle Gegenstände in seinem Zimmer befällt und trotz wiederholter Anfrage von der Verwaltung nicht entfernt wird. So wurde auch der Antrag der Bewohner*innen des Lagkadikia-Camps in der Region Thessaloniki abgelehnt, die Funktion der Waschmaschinen zu ändern, die nur 15 Minuten am Stück laufen.


PROBLEME, DIE SICH ÜBERSCHNEIDEN 


Der Zugang zu essentiellen Dienstleistungen wie Sprachdolmetscher*innen und öffentlichem Nahverkehr ist ebenfalls minimal oder oft gar nicht vorhanden, ebenso wie grundlegende medizinische Versorgung. Als eine junge Mutter im Kavala-Camp Medikamente für ihr krankes Kind benötigte, wurde sie angewiesen, diese im örtlichen Markt zu kaufen, obwohl sie nicht über ausreichende Mittel verfügte. Berichten zufolge übernahmen die Ärzt*innen und das Verwaltungspersonal weder die Kosten noch versorgten sie sie vor Ort mit der nötigen Medizin. Der Mangel an Dienstleistungen ist eng miteinander verknüpft, die Probleme überschneiden sich: Eine im Serres-Camps lebende Person schilderte, dass sie sich aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten wiederholt gezwungen sah, für eine Taxifahrt in die Stadt zu bezahlen, um medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, was eine erhebliche finanzielle Einschränkung darstellte. Da in den Einrichtungen kaum Dolmetscher*innen und Übersetzer*innen angestellt sind, benutzt eine Frau im Lagkadikia-Camp bei Arztbesuchen ihr Telefon, wodurch eine Sprachbarriere entsteht, die ihr Wohlbefinden gefährdet. Das Fehlen einer angemessenen Infrastruktur stellt ebenfalls ein Gesundheitsrisiko dar. So berichtete ein Bewohner des Katsikas-Camps, dass sich seine Krebssymptome aufgrund des Stresses, unter dem er wegen seiner Lebensbedingungen in einem baufälligen Container leidet, verschlimmert hätten. Berichte über die schlechte Qualität der in dem Lagkadikia- und Ritsona-Camp bereitgestellten Lebensmittel verdeutlichen die gefährlichen Lebensbedingungen, mit denen Geflüchtete in Nordgriechenland konfrontiert sind.


VIEL ÜBERWACHUNG, WENIG SCHUTZ


Ein zusätzliches Sicherheitsproblem ergibt sich natürlich aus den räumlichen Gegebenheiten selbst. Die Befragten äußerten sich über die Angst und Unsicherheit, die sie aufgrund des Zusammenlebens mit mehreren völlig Fremden, des völligen Mangels an persönlichem Freiraum und der Weigerung oder Unfähigkeit des Verwaltungspersonals, in konfliktträchtigen Situationen einzugreifen, erleben mussten. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich die strukturellen Merkmale der Lagereinrichtungen in den letzten Jahren rasch und radikal verändert haben, und zwar von offenen Einrichtungen hin zu etwas, das man nur als Einhausung bezeichnen kann. Diese „Controlled Access Facilities“ zwingen Geflüchtete zu einem von Unbeweglichkeit geprägten Alltag, was zu einem berechtigten Gefühl der Einsperrung führt. Diese Wahrnehmung wird durch die physische Umgebung zur Realität, da diese aus High-Tech-Überwachungssystemen und Zäunen besteht, die regelmäßig von privatem Sicherheitspersonal patrouilliert werden. 


DIE SCHWIERIGE AUFGABE, HOFFNUNG ZU SCHAFFEN


Leider ist die Dauer des Aufenthalts in diesen unwürdigen Einrichtungen für Camp-Einwohner*innen nicht absehbar. Asylsuchende haben meist keine Information über den genauen Verlauf ihrer Anträge. Aufgrund der begrenzten rechtlichen Unterstützung, die sie erhalten, ist es schwierig, Hoffnung und Optimismus für eine Veränderung des Umfelds zu entwickeln. Umso wichtiger ist der Bericht von Mobile Info Team und Refugee Legal Support. Während wir die Ergebnisse der Untersuchung nur grob umrissen haben, bereitet das 50-Seiten lange Dokument viele Details auf und macht die Berichte der Camp-Bewohner*innen aus erster Hand öffentlich zugänglich. Das letzte Kapitel mit dem Titel „Voices from the Camps” beinhaltet persönliche Geschichten über das Leben von Geflüchteten auf dem griechischen Festland. Während unserer bevorstehenden Kampagne in Nordgriechenland werden wir mit Partner*innen vor Ort zusammenarbeiten, die sich der wichtigen Aufgabe verschrieben haben, die Lebensbedingungen von Geflüchteten und Migrant*innen in diesen Regionen zu verbessern. 

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